(english version below)
Wir sind alle Kanaken
Experimental Documentary 2021 - 20:20 Min In seinem Essay-Film Wir sind alle Kanakenveranschaulicht Kervin Saint Pere die vielschichtigen Bedeutungsebenen des Begriffes Kanake, die ihm durch den europäischen Kolonialismus gewaltvoll zugeschrieben worden sind. Die Verwendung des Wortes ist eng mit rassistischen Praktiken europäischer Kolonialisierung im Globalen Süden verknüpft und dient bis heute zur Legitimierung von Gewalt. Diese kolonialen Praktiken nimmt sich Saint Pere vor, denn durch Bilder, nichtwissenschaftliche Mythen und „Theorien“ wird der als Kanake bezeichnete Mensch dehumanisiert, degradiert und als der Andere und Fremde markiert.
Aus den historischen Postkarten und Fotografien der Kolonien, welche im Film auftauchen, werden genau die Menschen, die zum Objekt gemacht werden, ausgeschnitten und überlagern geisterhaft filmisches Archiv-Material europäischer Expeditionsreisen. Die erschaffenen Schablonen verdichten den filmischen Blick, lupenhaft, wie ein zweites Kameraauge auf den kolonialen eigenen Blick. Was die Betrachter*innen im Film nicht mehr sehen, sind Bilder von Menschen, die auf „Szenen der Gewalt“ reduziert werden, sondern jene, die diese Kategorisierungen und Abwertungen vorgenommen haben, nämlich: die Europäer*innen. Saint Pere schafft durch diese Akzentsetzung eine Umkehrung; die Europäer*innen, die in heroisch anmutenden Posen als Beobachtende auftauchen, werden zum kritisch hinterfragten Objekt. Die Wiederholung des Satzes „Wie in den Denkmustern der europäischen Kolonien“ im Voice-Over verdeutlicht präzise, dass die gegenwärtigen Bedeutungen des Begriffs „Kanake“ als Gastarbeitende, Geflüchtete und sogenannte Nicht-Integrierte immer noch mit kolonialen und rassistischen Bildern verknüpft sind. Das Wort dient in der Vergangenheit und Gegenwart dazu, durch Kategorisierungen Gewalt zu legitimieren, ungerechte Ordnung zu gewährleisten und Herrschaftsstrukturen und Diskriminierungen aufrecht zu erhalten.(Cana Bilir-Meier)
Aus den historischen Postkarten und Fotografien der Kolonien, welche im Film auftauchen, werden genau die Menschen, die zum Objekt gemacht werden, ausgeschnitten und überlagern geisterhaft filmisches Archiv-Material europäischer Expeditionsreisen. Die erschaffenen Schablonen verdichten den filmischen Blick, lupenhaft, wie ein zweites Kameraauge auf den kolonialen eigenen Blick. Was die Betrachter*innen im Film nicht mehr sehen, sind Bilder von Menschen, die auf „Szenen der Gewalt“ reduziert werden, sondern jene, die diese Kategorisierungen und Abwertungen vorgenommen haben, nämlich: die Europäer*innen. Saint Pere schafft durch diese Akzentsetzung eine Umkehrung; die Europäer*innen, die in heroisch anmutenden Posen als Beobachtende auftauchen, werden zum kritisch hinterfragten Objekt. Die Wiederholung des Satzes „Wie in den Denkmustern der europäischen Kolonien“ im Voice-Over verdeutlicht präzise, dass die gegenwärtigen Bedeutungen des Begriffs „Kanake“ als Gastarbeitende, Geflüchtete und sogenannte Nicht-Integrierte immer noch mit kolonialen und rassistischen Bildern verknüpft sind. Das Wort dient in der Vergangenheit und Gegenwart dazu, durch Kategorisierungen Gewalt zu legitimieren, ungerechte Ordnung zu gewährleisten und Herrschaftsstrukturen und Diskriminierungen aufrecht zu erhalten.(Cana Bilir-Meier)
ENG:
Wir sind alle Kanaken
Experimental Documentary 2021 - 20:20 Min
In his essay film, “Wir sind alle Kanaken“, Kervin Saint Pere demonstrates the complex layers of meaning associated with the term "Kanake" which have been violently imposed through European colonialism. The usage of the term is closely tied to racist practices of European colonization in the Global South and continues to be used to legitimize violence today. Saint Pere tackles these colonial practices, for it is through images, non-scientific myths and "theories" that the person designated as Kanake is dehumanized, degraded and marked as the Other and the Stranger.
From the historical postcards and photographs of the colonies that appear in the film, the very people who are being objectified are cut out and ghostly superimposed on filmic archival footage of European expeditions. The created stencils condense the cinematic gaze, magnifying, like a second camera eye on the colonial own gaze. What viewers no longer see in the film are images of people reduced to "scenes of violence," but those who have made these categorizations and devaluations, namely: the Europeans. Saint Pere creates a reversal through this emphasis; the Europeans, who appear as observers in heroic-looking poses, become the critically scrutinized object. The repetition of the sentence "As in the thought patterns of the European colonies" in the voice-over precisely illustrates that the current meanings of the term "Kanake" as guest workers, refugees and so-called non-integrated people are still linked to colonial and racist images. In the past and present, the word serves to legitimize violence through categorizations, to ensure unjust order, and to maintain structures of domination and discrimination.(Cana Bilir-Meier)
©saintperekervin2022